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Donnerstag, 25. Oktober 2012

Melancholia - So schön kann der Weltuntergang sein

Wer schon einmal einen Film von Lars von Trier gesehen hat, weiß, worauf er sich einlässt. Für mich war "Melancholia" aus dem Jahr 2011 der erste Film des dänischen Dogma-Regisseurs. Ich hatte aber eine Ahnung und konnte mir denken, dass ich mir ziemlich schwere Kost ausgesucht habe.

Darum geht es:
Hinter der Sonne hat sich ein kleiner Planet namens Melancholia versteckt, der sich nun auf Kollisionskurs mit der Erde befindet. Das Ende der Welt steht unmittelbar bevor. Vor diesem Hintergrund wird die Geschichte zweier Schwestern erzählt. Claire ist die vernünftige, familienorientierte, verantwortungsbewusste. Justine ist die charakterlich scheinbar Schwächere, die unter schweren Depressionen leidet. Justine heiratet am Anfang der Geschichte, die Hochzeit wird auf dem vornehmen Anwesen von Claire und ihrem Mann John gefeiert. Noch während der Feier fällt Justine zunehmend in ein tiefes Loch, möchte vor ihrer eigenen Hochzeit fliehen, stößt ihren frischgetrauten Ehemann vor den Kopf und bringt die Ehe zum Scheitern, noch bevor die Nacht vorbei ist. Im zweiten Teil des Films flieht die völlig am Boden zerstörte Justine in Claires Reich und schafft es, sich wieder zu fangen und eine Art neuen Lebensmut zu schöpfen, obwohl sie wie keine andere Person den unausweichlichen Weltuntergang vor Augen hat. Am Ende ist sie es, die der angsterfüllten Claire und deren verstörtem Sohn den letzten Trost spendet.

Pros und Contras:
Der Film ist in wunderschönen Bildern fotografiert. Die Anfangssequenz besteht nur aus in extrem langsamer Zeitlupe gehaltenen Momentaufnahmen, unterlegt mit klassischer, sehr dramatischer Musik. Kirsten Dunst spielt die schöne, zerbrechliche Justine mit großartiger Intensität. Sie strahlt und dominiert jede Szene, in der sie auftritt. Die Riege der Nebendarsteller wurde hochkarätig besetzt, unter anderem mit Kiefer Sutherland, Charlotte Gainsbourg und John Hurt. Die Location ist wunderschön in Szene gesetzt.
Anstrengend ist die Länge, in die viele Szenen gezogen wurden. In vielen Aufnahmen scheint sich nichts zu bewegen, die Protagonisten starren gedankenverloren in den Himmel. Auch die für Dogma-Filme typische verwackelte Handkameraführung, die bewusst amateurhaft draufhält und dadurch alles etwas authentischer wirken lassen soll, ist auf die Dauer anstrengend. Muss man mögen. Allerdings dominiert diese Art der Kameraführung nur den ersten Teil; der zweite Teil ist deutlich ruhiger.
"Melancholia" dauert gute zwei Stunden. Ich finde, das hätte man auch straffen können. Dennoch: Obwohl die erzählte Geschichte eigentlich aus nur ganz wenig Handlung, etwas Dialog mit viel Tiefgrund und vielen, bedeutungsschwangeren Blicken besteht, fesselte sie mich. Ich dachte die ganze Zeit: Irgendwie seltsam, aber ich muss wissen, wie das weitergeht. Und das, obwohl dem Zuschauer gleich in einer der ersten Aufnahmen der Anfangssequenz gezeigt wird, wie Melancholia die Erde trifft und zerstört und so das Ende vorwegnimmt. Die Kollision sieht dabei irritierenderweise so ästhetisch aus, dass ich dachte: So schön kann ein Weltuntergang sein.
Kritiker und Publikum liebten "Melancholia". Besonders Kirsten Dunst wurde mit Lobhudeleien für ihre Leistung überhäuft - zu Recht. Film, Regisseur und Darsteller wurden für etliche Preise nominiert und gewannen auch viele davon; so wurde Kirsten Dunst auf dem Filmfestival in Cannes, wo von Trier mit seinen Nazi-Anzüglichkeiten während einer Pressekonferenz für Aufregung sorgte, als beste Schauspielerin ausgezeichnet.

Fazit:
"Melancholia" lässt sich problemlos in die Riege der Weltuntergangsfilme einordnen. Trotzdem ist es kein typisches Desastermovie, denn nicht nur die Action fehlt. Das Ende der Welt spielt eine untergeordnete Rolle, es geht in erster Linie um die Beziehung zwischen Justine und Claire und um Justines "Reifung". In so mancher Internetdiskussion wurde die Behauptung in den Raum gestellt, bei Justine und Claire handele es sich um ein und dieselbe Person und die zwei Seiten ihres Charakters. Kann sein. In einem Film von Lars von Trier kann sowas durchaus sein.

Lieblingszitat:

"Die Welt ist schlecht. Wir müssen nicht um sie trauern." (Justine)

Ich gebe 4 von 5 melancholischen Planeten.

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